Das erwartet dich bei der Adoption eines Hundes mit Vorgeschichte
Die Freude ist gross, wenn man sich dazu entschliesst, einem Hund aus dem Tierschutz ein neues Zuhause zu bieten. Dabei hat man nicht nur die Qual der Wahl aus welchem Land, mit welcher Herkunft oder von welchem Verein man sich seinen neuen Begleiter aussucht. Es bietet sich auch eine grosse Auswahl an Hunden aller Grössen, Felltypen und Charakteren und von Mischlingen und Rassemixen bis hin zu reinrassigen Vertretern ist fast alles dabei.
Welchen Hund soll ich adoptieren?
Besonders Ersthundebesitzer stehen vor der grossen Herausforderung, den passenden Vierbeiner auszuwählen. Die Tierheime und Tierschutzvereine sind voll von Hunden aller Altersstufen und Temperamenten. Jeder Hund hat seine eigene Geschichte und bringt somit eine Fülle von Erfahrungen mit, die sein Verhalten beeinflussen können.
Wie sich diese Erfahrungen auf das Zusammenleben auswirken, lässt sich im Voraus nicht genau sagen. Hunde verhalten sich im Tierheim oft anders als zu Hause. Ein bellender Hund im Zwinger könnte sich zu Hause ruhig verhalten und ein eher unscheinbar wirkender Genosse, sich im eigenen Zuhause selbstbewusst zeigen. Dennoch gibt es Rassen und Mischlinge von Rassen, die generell bellfreudiger sind. Ebenso gibt es Hunde, die gemütlich sind und solche, die sportliche Aktivitäten und lange Spaziergänge lieben.
«Nicht allein aufs Aussehen gehen, sondern sich gut über den Charakter und die Eigenheiten des Tieres informieren.»
Dass ein Hund im Shelter mit anderen Hunden gut auskommt, heisst nicht, dass er sich auch beim Spaziergang mit fremden Hunden verträgt. Denn im Freilauf ohne Einschränkung durch die Leine, können sich Hunde instinktiver verhalten und einander bei Bedarf leichter ausweichen. Mitunter sind Hunde, die aus der Rudelhaltung kommen und das Leben mit anderen Hunden gewohnt sind, an der Leine lautstark. Manche Hunde haben traumatische Erlebnisse hinter sich oder manchmal auch einfach nichts ausserhalb vom Tierheim oder ihren bisherigen vier Wänden kennengelernt und brauchen viel Zeit und Geduld, um sich an unseren belebten Alltag zu gewöhnen.
Die Wahl des richtigen Hundes sollte nicht aus Mitleid oder allein wegen des Aussehens getroffen werden. Wichtiger ist, den neuen Begleiter sorgfältig anhand vom Charakter auszuwählen, rassetypische Bedürfnisse zu berücksichtigen und die eigene Lebenssituation mit einzuplanen. Ein Hund aus dem Tierschutz benötigt anfangs mehr Unterstützung und Zeit, manchmal Wochen oder sogar Monate.
Ein Tierschutzhund ist kein Hund auf Bestellung
Durch meine ehrenamtliche Arbeit im Tierschutz und meiner Erfahrung mit den verschiedensten Hundetypen und -rassen habe ich bereits viele Hunde und Probleme im Alltag kennengelernt. Dabei ist wichtig zu wissen, dass auch ein Welpe vom Züchter keine Garantie für ein entspanntes Zusammenleben ist. Ich habe das bei meiner Hündin selbst erlebt, die als Junghund von einer Züchterin für Kurzhaarcollies zu uns kam. Sie war von Anfang mit vielen Reizen überfordert, kannte keine Kinder und verhält sich auch heute noch oft unsicher gegenüber Neuem. Auch hier braucht es viel Verständnis.
Je nach Hund und dem Köfferchen an gemachten Erfahrungen ist jeder Vierbeiner anders. Es gibt Hunde, die absolut unkompliziert sind und sich problemlos in ihr neues Leben integrieren. Oftmals braucht es aber viel Zeit, Geduld, modernes Wissen über Hunde, finanzielle Mittel für Training oder Behandlungen und professionelle Unterstützung, um seinem Hund sachkundige Hilfestellung zu bietet. Ein guter Tierschutzvereine bietet oftmals solch ein Netzwerk und ist vor und nach der Vermittlung als Ansprechpartner für Fragen immer noch erreichbar.
Was dein Tierschutzhund braucht – und was nicht
Mit dem Einzug eines Tierschutzhundes kommen viele Herausforderungen auf einen zu, die man nicht alle vorhersehen kann. Je besser man vorbereitet ist, desto entspannter wird der Einzug. Der Hund kommt in ein unbekanntes Umfeld und muss erst lernen, dass es ihm dort gut geht. Alles, was er bis dahin kannte, ist ja erstmal weg.
Ein Tierschutzhund mit einer schwierigen Vergangenheit braucht somit oft mehr Zeit zur Eingewöhnung. Er könnte ängstlich oder unsicher sein und aggressives Verhalten zeigen. Geduld und Verständnis sind hier essenziell.
Empfehlungen aus der Praxis:
Zeit geben:
Ein Hund handelt nicht aus Dominanz oder Bosheit. Er zeigt lediglich das Verhalten, das er bisher kannte und mit dem er bisher erfolgreich durchs Leben gekommen ist. Daher braucht ein Hund Zeit, um sich an die neue Umgebung zu gewöhnen. Durchschnittlich brauchen Tierschutzhunde etwa 4-6 Wochen für die Eingewöhnung und bis zu sechs Monate, um wirklich anzukommen.
2. Keine Erwartungen haben:
Lass den Hund in seinem Tempo das neue Leben kennenlernen. Vermeide Stress und sei empathisch. Sätze und Gedanken wie «ach, der Arme» lassen euch jedoch schnell in Vergangenen verharren. Ein positiver und optimistischer Blick in eure gemeinsame Zukunft ist wichtig. Sei deinem Hund ein Vorbild, an dem er sich vertrauensvoll orientieren wird - ganz nach dem Motto: Geduld und Verständnis - statt Mitleid und Hilflosigkeit.
3. Einzeltraining statt Gruppenkurs:
Ein gestresster Hund ist in einem Gruppenkurs fehl am Platz. Je nach Naturell und Charakter deines Hundes, sowie seiner bisherigen Lebenssituation kann ein Gruppentraining mit vielen anderen Hunden in der Hundeschule schnell überfordern. Ein individuelles Training, das ganz auf deinen Hund ausgerichtet ist und sich an seinen Bedürfnissen orientiert, ist hier meist sinnvoller.
4. Vermeide aversives Training:
Hunde, die einen schlechten Start hatten, verdienen keine Bestrafung. Unerwünschtes Verhalten sollte durch das Erkennen der Ursachen angegangen werden. Schaue dich daher unbedingt nach gewaltfrei arbeitenden Hundetrainern und Literatur um, damit du deinen Hund mit positiver Verstärkung erziehst. Dein Hund wird es dir mit wachsendem Vertrauen und einer stärker werdenden Bindung zu dir danken.
Fazit
Die Anpassung eines Tierschutzhundes an seine neue Umgebung braucht Zeit, Geduld und Verständnis. Das Zusammenleben kann erhebliche Veränderungen im Alltag mit sich bringen. Wer gut vorbereitet ist und die nötigen Ressourcen hat, kann dem Hund den Einstieg erleichtern und eine stressfreie Eingewöhnungsphase ermöglichen. Bei Fragen oder bestehenden Verhaltensproblemen kann eine Beratung hilfreich sein und die frühzeitige Unterstützung durch erfahrene Hundetrainer.
Mehr Lesestoff zum Thema:
Hier empfehle ich dieses tolle Buch, mit dem du gleichzeitig für den Tierschutz spendest: «Pfotenspuren - Einen Hund aus dem Tierschutz adoptieren» von Corinne Meister (www.pfotenspuren.ch)
Ich wünsche dir viel Spass beim Lesen und bei Fragen zum Thema, melde dich gerne bei mir über das Kontaktformular. ✌️😊
Alexa Schels
Zertifizierte Hundetrainerin alexaunddiehunde.ch
Aktiv im Tierschutz für home4dogs.ch
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